Wann ist es so weit, Sara? - 1. Folge
by Phyllis Korkki
Mama, ich habe ein Riesenproblem.
Du musst mir helfen.
Oh, nein. Was ist es denn dieses Mal?
Eine Kollegin hat mich gerade gefragt, wann es so weit ist!
Ach, Gott.
Sie hat gedacht, ich bin schwanger!!
Mir ist aufgefallen, dass du ein bisschen zugenommen hast.
Ich mochte natürlich nichts sagen.
Na ja, Miranda auf der Arbeit hatte kein Problem damit, etwas zu sagen.
Offenbar stand es für sie außer Frage, dass ich SCHWANGER bin!
Schatz, ich weiß, es muss schlimm gewesen sein, das zu hören.
Aber iss doch einfach weniger Süßigkeiten und fang an, ins Fitness-Studio zu gehen.
Dann bist du im Nullkommanichts wieder so schlank wie früher.
Du verstehst nicht, Mama.
Diese Miranda, die ist super-sensibel.
Ständig fragt sie mich, ob ich auf sie sauer bin.
Und wenn man sie nur ein kleines bisschen kritisiert, regt sie sich total auf.
Ich kenne diesen Typ Mensch.
Es muss ihr so peinlich gewesen sein, als du ihr gesagt hast, dass du gar nicht schwanger bist.
Das ist es ja gerade, Mama. Ich wollte nicht, dass sie sich so fühlt …
Oh, mein Gott. Ich habe Angst vor dem, was jetzt kommt.
Ich habe nicht nachgedacht!
In vier Monaten, habe ich gesagt!
Ich habe gesagt, in vier Monaten ist es so weit!!
Sara, wir hatten dieses Thema schon, als du noch ganz klein warst.
Lügen ist schlecht.
Es sei denn, jemand mit einem fürchterlichen Haarschnitt fragt dich, ob dir sein Haarschnitt gefällt.
Nur dann darfst du lügen.
Ich kenne die Regel, Mama.
💇 💇 🙊
Aber ich hatte überhaupt nicht das Gefühl, dass ich lüge.
Die Worte sind mir einfach so rausgeplatzt, bevor ich sie zurückhalten konnte.
Weißt du, es ist ja nett, dass du Mirandas Gefühle nicht verletzen wolltest …
Aber, Schatz, was willst du jetzt machen?
Irgendwann findet sie heraus, dass du nicht schwanger bist.
Und wenn sie es herausfindet, ist alles noch schlimmer.
Oh Gott, ich weiß. Was soll ich tun?
Sag ihr die Wahrheit.
Tu es jetzt und melde dich dann wieder bei mir, okay?
Okay.
30 Minuten später
Du weißt doch, dass ich vorhin ein riesiges Problem hatte?
Ja.
Jetzt habe ich ein noch größeres Problem.
Wieso? War Miranda etwa sauer auf dich?
Nein, ich hatte überhaupt keine Gelegenheit, es ihr zu sagen.
Weil sie bereits eine Dusche für mich plant.
Und sie will alle im Büro dazu einladen.
Jeder im Büro denkt jetzt, ich bin schwanger!
Wie bitte?! Sara Elizabeth, genau deswegen sollst du nicht lügen!
Ich weiß – ungefähr fünf Kollegen haben mir schon gratuliert.
Was soll ich nun machen, Mama?
Das ist so schnell außer Kontrolle geraten!
Vielleicht solltest du einfach in die Dusche gehen …
Nein. Ich werde nicht duschen für ein Baby, das gar nicht existiert.
Und es wird keine Dusche geben.
Denn ich muss es ihnen sagen.
Und wie?
Vielleicht schicke ich allen im Büro eine Rundmail?
Betreff: Ich bin gar nicht schwanger.
Klingt super, Mama. Wie blöd würde das denn aussehen?
Ich sehe keine andere Möglichkeit.
Na ja, ich könnte kündigen.
Einfach rausgehen und eine Zeit lang acht Stunden am Tag im Fitness-Studio verbringen.
In einer anderen Stadt ein neues Leben beginnen …
Aber Sara, du kannst doch nicht zulassen, dass durch eine dumme Bemerkung deine gesamte Karriere scheitert.
Und du darfst deine Kollegen auch nicht in dem Glauben lassen, du seist schwanger.
Nun, darüber habe ich schon nachgedacht …
Oh, nein – was soll das denn heißen?
Gibt es einen Weg für mich, tatsächlich ein Baby zu bekommen?
Ich weiß, es ist unmöglich, dass ich schwanger werde und in vier Monaten ein Baby kriege.
Zum Glück verstehst du, dass das nicht möglich wäre.
Aber könnte ich nicht ein Baby adoptieren?
Ich könnte doch einfach die nächsten vier Monate weiterhin zu viel essen und keinen Sport treiben, um schwanger auszusehen, oder?
Und dann nehme ich das süße, kleine Adoptivbaby mit zur Arbeit.
Sara, meinst du das etwa ernst?
Du willst mit 23 Jahren ein Baby adoptieren, weil du ein einziges Mal einer Kollegin eine dumme Lüge erzählt hast?
Ich weiß, das IST sehr extrem.
Aber die Sache ist …
Als ich mit Miranda und meinen Kolleginnen gesprochen habe, ist etwas Merkwürdiges passiert.
Was denn?
Ich habe mich so besonders gefühlt.
Fast so, als hätte ich einen Heiligenschein um mich herum.
Miranda hat gesagt, ich sei so „tapfer”.
Weil ich eine alleinerziehende Mutter sein werde.
Sara …
Aber es war nicht nur das! Zum ersten Mal in meinem Leben …
... hatte ich das Gefühl, in der Öffentlichkeit meinen Bauch rausstrecken zu können.
Als ich zu meinem Schreibtisch zurückgegangen bin, stand der Bauch KOMPLETT hervor.
Stolz.
Kannst du mir etwas erklären, Mama?
Was?
Warum sind große Pos okay, große Bäuche aber nicht, es sei denn, man ist schwanger?
Ich weiß nicht genau, aber ich glaube, das hat etwas mit diesen Kardashians zu tun.
Können wir nun zurück zum Thema kommen? Wie willst du diese Lüge beenden?
Ach, komm. Kann ich nicht noch ein bisschen so tun, als ob?
Du kannst dir denken, dass alle scharf darauf sind, zu erfahren, wer der Vater ist …
Aber sie haben sich nicht getraut zu fragen.
Ich konnte die Fragezeichen über ihren Köpfen förmlich sehen.
Ist der Vater noch da?
Hat er mich im Stich gelassen?
Ich glaube, er hat mich im Stich gelassen, Mama.
Ich würde sagen, er hat mich geschwängert und dann die Stadt verlassen.
Der Schuft.
Sara! Hör sofort auf damit.
Es gibt keinen Vater, weil es kein Baby gibt.
Und du musst dieser Sache ein Ende setzen, und zwar sofort.
Okay, gut. Ich kann diese Farce nicht länger weiterlaufen lassen.
Viel Glück, Schatz.
Sara legt das Handy weg und schickt eine Rundmail an alle Mitarbeiter im Büro.
Betreff: Meeting in 10 Minuten.
E-Mail-Nachricht: Bitte kommt um 14:30 Uhr kurz in den großen Konferenzraum, denn ich möchte ein großes Missverständnis ausräumen.
Zehn Minuten später drängen sich alle 20 Kollegen von Sara in den Konferenzraum. Sie platzen vor Neugier.
Sara atmet tief durch und geht an den Kopf des Konferenztischs.
Sie achtet darauf, den Bauch einzuziehen.
Äh, ich glaube, ihr habt alle die Neuigkeit von meiner Schwangerschaft gehört.
Glückwünsche tönen durch den Raum, dann hebt Sara abwehrend die Hand.
Nun, Tatsache ist: Ich bin gar nicht schwanger.
Zwanzig große Augenpaare blicken Sara überrascht an.
Sara schaut hinüber zu Miranda.
Miranda, du hast mich heute gefragt, wann es denn so weit ist, und ich wollte deine Gefühle nicht verletzen.
Und ich habe mich davor geschämt, dir zu sagen …
Sara streichelt ihren Bauch.
... dass das bloß Bauchfett ist.
Nachdem Sara diese Neuigkeit verkündet hat, herrscht einen Moment lang verblüfftes Schweigen.
Dann bricht der gesamte Raum in Lachen aus.
Selbst Sara kann sich das Mitlachen nicht verkneifen.
Die Einzige, die die Situation nicht witzig findet, ist Miranda.
Sie verlässt schnell und voller Scham den Raum.
Wow, diese Sache wird dich immer wieder einholen, Sara.
Danke für deine Unterstützung, Bob.
Wollen wir jetzt alle wieder zurück an den Schreibtisch gehen?
Und vielleicht … könnten wir nie wieder darüber reden ...
Aber natürlich hat das Büro wieder darüber gesprochen.
Und wieder und wieder.
Und Bob hat sogar eine Dusche für Saras nicht vorhandenes Baby veranstaltet.
Alle haben sich total betrunken.
Auch Sara, denn sie war ja nicht schwanger.
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