Weihnachtsstimmung - Folge 1
by Chris Marie Green
Weihnachtliche Grüße, lieber Nachbar 👋 🎅
Nur eine kleine Anmerkung aus der Wohnung gegenüber ...
Du hast vergessen, die Vorhänge zuzumachen 😳
Oh Mann, Hanna - tut mir leid!
Ich wusste nicht, dass außer mir noch jemand über die Weihnachtsferien hier ist.
Das Haus hier ist vollkommen leer. Meine Mitbewohner sind alle nach Hause gefahren.
Hier ist es genauso.
Ich glaube, hier sind nur du und ich.
Vielen Dank. Du hast mir einige Peinlichkeit erspart 😌
Stell dir mal vor, ich wär hier ganz im Adamskostüm gewesen!
Hanna lehnt sich gegen die Wand neben die zugezogenen Vorhänge ihres Fensters.
Sie versucht, sich dieses Bild von Max jetzt NICHT vorzustellen ...
Vor allem, weil sie nicht mehr aufhören kann daran zu denken, wie sie einen flüchtigen Blick auf ihn ohne Hemd erhascht hat -
Muskulöser Oberkörper und Arme hart wie Fels ...
Verwuscheltes dunkles Haar an einer gutaussehenden kantigen Kieferkontur.
Sie war schon immer neugierig auf ihren Nachbarn Max gewesen, aber jetzt mehr denn je ...
Warum in aller Welt ist jemand wie der alleine in den Ferien?
Hat der nicht wenigstens zu Hause eine Freundin, die er besucht?
Kein Problem. Frohe Weihnachten!
LOL. Stimmt. Ich hab's nicht so mit Weihnachten.
Wer bist du denn - Scrooge?
Pah! Dummes Zeug! 👹
Mir wird gerade bewusst, dass du aber auch nicht zum Weihnachten feiern nach Hause gefahren bist.
Stimmt, aber nicht, weil ich es nicht mag.
Sie spickelt durch eine Lücke zwischen den Vorhängen.
Als sie Max direkt im Fenster stehen sieht, macht ihr Herz einen Sprung.
Hab dich gesehen!
Hanna wird rot und geht wieder zur Seite.
Warum machst du die Vorhänge nicht einfach auf?
Jetzt bin ich angezogen.
Ja, aber ich hab noch meinen Schlafanzug an!
SOWAS hab ich Gott weiß schonmal gesehen.
Naja, meiner ist ausgeleiert und aus Flanell und NUR für meine Augen!
🙄
Wie dem auch sei, um deine Frage wegen den Weihnachtsferien zu beantworten ...
Ich wär fast mit zu einer Freundin gefahren, aber ...
Aber was?
Ich hatte dann doch lieber ruhige Weihnachtsferien. Das ist alles.
Hanna spickelt schon wieder zwischen den Vorhängen durch.
Max ist immer noch da, hat Jeans und T-Shirt an und die Haare lässig verstrubbelt.
Und er sieht immer noch SO süß aus.
Hah - du bist mit deinen Spielchen ja immer noch nicht fertig 🦌 🦌
Hannas Herz schlägt doppelt so schnell, aber da fängt die Uhr am Herd an zu piepen.
Ich muss gehen. Ich backe gerade Lebkuchenmännchen.
Pah! Dummes Zeug!
👹
Hanna backt für den Rest des Abends, aber sie kriegt ihre Gedanken nicht von ihrem Nachbarn los ...
Und natürlich geht sie spät am Abend erneut ans Fenster und spickelt wieder zwischen den Vorhängen durch.
Max' Wohnung ist dunkel.
Sie sieht die Möglichkeit ein bisschen Weihnachtsfreude zu verbreiten und rennt mit ein paar Keksen hinüber zu seiner Tür.
Dann entschließt sie sich, Max so RICHTIG in Weihnachtsstimmung zu bringen, indem sie ihre Vorhänge öffnet, damit er ihre geschmückte Wohnung sehen kann.
Sie macht den Fernseher an und wartet.
Eine halbe Stunde später
Endlich - du hast die Vorhänge aufgemacht!
Hier ist auch ein Teller mit Lebkuchenmännchen, die rübergekommen sind, um mit mir Fußball zu kucken.
Bist du diejenige, der ich dafür danken darf?
Jau! Hab ich dich jetzt endlich auf die Weihnachtsseite rübergekriegt?
Guter Versuch.
Selbst nachdem du meine Winterwunderlanddeko gesehen hast, sträubst du dich?
Als sie in Richtung Max' Fenster blickt, sieht sie das Flimmern seines Fernsehers.
Das Licht tanzt auf ihm, wie er da auf seinem Sofa sitzt.
Es fühlt sich beruhigend an zu wissen, dass sie beide gleichzeitig fernsehen ...
Sogar ein bisschen vertraut.
Sorry, aber selbst deine tolle Deko kriegt mich nicht auf die andere Seite.
🙁
Sie erinnert mich an zu Hause und wie es dort gerade schneit.
Und was ist so schlimm daran?
Max?
Vielleicht sollten wir stattdessen lieber darüber sprechen, was wir gerade im Fernsehen kucken. Ja?
Na schön. Aber du willst nicht wissen, was ICH gerade kucke.
Wenn du es SO sagst ...
Will ich es UNBEDINGT wissen.
Ich kuck "Rudolph mit der roten Nase".
🙄
Hab's dir doch gesagt.
Weißt du was, als Kind hab ich Rudolph auch gekuckt.
Boah... Und ich dachte, du bist schon weihnachtsmüde GEBOREN worden.
😏
Aber bist DU für den Film nicht schon ein bisschen zu alt?
Nein! Ich liebe Rudolphs kleine rote Nase und Hermey, den Elf, der lieber Zahnarzt wäre!
Ich kucke es jedes Jahr, hauptsächlich weil ...
Die Einsamkeit erschlägt Hanna wie eine Schneelawine und löst in ihr ein brennendes Gefühl der Sehnsucht aus.
Weil ... ?
Jetzt macht Zurückhalten auch keinen Sinn mehr.
Es war eine Familientradition, Rudolph zu kucken.
Papa hat für mich immer von Hand eines der Spielzeuge von der Insel der Nichtsnutz-Spielzeuge gemacht.
Und Mama hat im Haus immer rote Glühbirnen versteckt, die ich dann suchen durfte.
Wow. Deine Eltern klingen toll.
😊
Aber jetzt frage ich mich doch ...
Warum willst du dann in den Weihnachtsferien nicht nach Hause fahren, wenn das dort auf dich wartet?
Um Hannas Herz machen sich Schmerzen breit.
Hanna?
Es gibt kein Zuhause mehr, zu dem ich fahren könnte, Max.
?
Meine Eltern sind vor ein paar Jahren bei einem Autounfall gestorben, deshalb sind die Weihnachtsferien ...
Sie tippt auf "Senden", weil sie den Satz einfach nicht zu Ende schreiben kann.
Meine Güte ...
Das tut mir echt leid zu hören ...
Ich hätte nicht fragen sollen.
Schon gut. Diese Zeit des Jahres ist halt einfach schwerer als der Rest ...
Vor allem, weil ich auch sonst nirgendwo Familie habe.
Während sie den Klumpen in ihrem Hals wieder runterschluckt, geht Max an sein Fenster.
Sein Körper ist als Silhouette vor dem Licht sichtbar.
Ich weiß, dass es dir davon jetzt nicht besser geht ...
Aber ich hab auch kein Zuhause mehr, wo ich hinfahren könnte.
Nicht?
Nein. Mein Grund über die Ferien dazubleiben ist zwar nicht so schlimm wie deiner, aber ...
Also, letzte Weihnachten hatten meine Eltern einen Riesenkrach.
Meine Mutter war sowieso nie oft da und sie ist dann mit ihrem neuesten Freund nach Griechenland abgehauen.
Und mein Vater war immer genauso distanziert. Als er also nach Costa Rica gezogen ist -
War es gar kein Schock.
Das heißt ja nicht, dass es nicht hart war.
Du ... wolltest dieses Jahr die Weihnachtsferien bei keinem verbringen?
Deswegen?
Ein paar Sekunden vergehen.
Nein. Ich habe dieses Jahr versucht, beide wegen einem Treffen zu kontaktieren, aber es hat nicht geklappt.
Aber naja - sie haben mir Geschenkgutscheine geschickt 🎉
Oh, Max ...
Jetzt verstehe ich, warum bei dir keine Weihnachtsstimmung aufkommt.
Das Licht des Fernsehers zeigt die Einsamkeit auf seinem Gesicht.
Ich wünschte, ich hätte dieselbe Weihnachtsstimmung, die du noch hast.
Selbst nachdem du so viel verloren hast, kannst DU noch das Schöne an Weihnachten sehen.
Ich würde alles tun, um das wiederzuhaben.
Anscheinend ist Max in dieser Jahreszeit des Zusammenkommens genauso einsam wie sie ...
Aber obwohl er so nah dran ist, sind beide isoliert.
Vielleicht kannst du deine Weihnachtsstimmung ja DOCH wiederhaben, Max.
Aber du musst daran arbeiten.
Also, wenn es irgendjemanden gibt, der mir Hoffnung geben könnte, dann bist das du.
Max schaltet den Fernseher aus und seine Wohnung wird in Dunkelheit gehüllt.
Er hört auf zu schreiben. Hanna ist verwirrt.
Nach einer Weile schaltet Hanna ihren Fernseher auch aus.
Sie verbringt eine stille Nacht voller Einsamkeit.
Als der Morgen kommt, blickt sie verloren zu Max' Fenster und erwartet, Leere vorzufinden.
Aber was sie da entdeckt, lässt sie zweimal hinsehen -
Schneeflocken, Zuckerstangen und helle Lichter strahlen zu ihr zurück.
Max? Was ist denn da drüben los?
🙃
Du hast mich gekriegt, Hanna.
Ich konnte nicht aufhören, über dich und deine Geschichte nachzudenken ...
Und dann hat mich plötzlich die Erkenntnis getroffen -
Die Weihnachtsstimmung ist gar nicht außer Reichweite, weil sie nämlich genau gegenüber von meiner Wohnung lebt.
Hanna drückt eine Hand auf ihr heftig klopfendes Herz.
Echt?
Ja. Also habe ich mich zu spätabendlichem Einkaufen und Schmücken entschlossen und ...
Naja, das siehst du, wenn du die Tür aufmachst.
Immer noch verwirrt öffnet Hanna ihre Tür und findet auf dem Boden etwas auf sich warten.
'ne rote Glühbirne?
Genau so, wie meine Mama die immer für mich versteckt hat?
🙂
Am besten, du kuckst dich auf dem Flur noch nach fünf Glühbirnen mehr um.
Mit einem überraschten, überwältigten Lachen beginnt Hanna ihre Suche ...
Und lacht noch mehr, als sie die nächste Glühbirne hinter einer Topfpflanze findet.
Als sie die letzte findet, ist sie genauso begeistert, wie früher bei ihrer Mutter.
Fertig!
Jetzt wartet noch etwas auf dich an MEINER Tür ...
Bei Max sieht Hanna einen ausgestopften Teddybären mit bunten Klebepunkten auf dem Fell ...
Ein provisorischer gepunkteter Elefant von der Insel der Nichtsnutz-Spielzeuge?
Freude überkommt sie, als sie ihn in ihre Arme nimmt und fest an sich drückt.
Dann macht Max die Tür auf.
In seiner Wohnung ist ein Winterwunderland.
Seine grünblauen Augen leuchten.
Ich kann gar nicht glauben, dass du das getan hast.
Ich musste.
Irgendwie hast du mich süchtig nach Weihnachtsliedern, Lebkuchenmännchen und Weihnachtsfilmen gemacht.
Ich fühl mich ... genau wie früher.
Max ergreift ihre Hände.
Hanna, durch dich hab ich verstanden, dass Weihnachten ist, was WIR daraus machen -
Und statt die ganze Distanz zwischen deinem Fenster und meinem aufrechtzuerhalten ...
Möchte ich unbedingt mit DIR etwas aus den Weihnachtsferien machen.
Weil du einfach toll bist ...
Selbst als das Leben dir einen Schicksalsschlag verpasst hast, hast du nicht aufgehört.
Und das gibt mir...Hoffnung.
Max streckt seine Hände aus, um sie in seine festliche Wohnung einzuladen.
Sie antwortet darauf mit einem freudigen Lachen.
Frohe Weihnachten, Hanna.
Sie bricht in dasselbe Lächeln aus wie er, als er sie über die Türschwelle mitnimmt ...
Hinein in einen Ort voll von hellen, bunten Lichtern ...
Und in die Wärme einer wunderschönen, hoffnungsvollen neuen Jahreszeit.
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