Fang' das Telefon - Folge 1
by Red Toberman
Ich erwache mit hämmernden Kopfschmerzen.
Zuerst kann ich noch nicht mal mein eigenes Zimmer erkennen.
Urghhh…
Ich versuche mich aufzusetzen...
... und spüre gleich, wie sich mein Magen verkrampft.
Oh Gott.
Die Party gestern Abend war...
... irgendwie anders.
Ich glaube, sie war ganz lustig.
Ich bin mir ziemlich sicher,...
... dass ich mich gut amüsiert habe.
Auf verschwommen positive, unscharfe Art.
Ich nehme mein Telefon aus der Nachtstation...
... und muss zweimal hinschauen.
Das Hintergrundbild sieht anders aus.
Was zur Hölle...?
Es ist ein Bild unseres College-Maskottchens:
Der Bulldogge.
Hat irgendjemand das Hintergrundbild geändert?
Und dann trifft mich plötzlich...
... die Erkenntnis.
Ach du lieber Himmel.
Das ist auf keinen Fall mein Telefon.
Ich glaube, ich weiß, wem es gehört.
Und wenn ich Recht habe,...
... dann könnte es ziemlich peinlich werden.
Ich lege das Telefon hin...
... und lege mir die Hände an die Stirn.
Was habe ich nur getan?
Dann zerreißt ein Klingelton die Luft.
Ah!
Ich schiebe das Telefon unter das Kopfkissen.
Ich ertrage es nicht, hinzuschauen.
Aber... wenn es jetzt er ist?
Ich lege das Kopfkissen beiseite.
Ein FaceTime-Anruf...
... von Kayla.
Keine Chance.
Ich lasse das Telefon zu Boden fallen,...
... doch während dieses Vorgangs...
... nehme ich versehentlich ihren Anruf an.
Schon schallt ihre Stimme in Richtung Zimmerdecke.
Hallo? Ian?
Langsam luge ich über die Bettkante...
... und erblicke Kayla, die mich anstarrt.
H-hallo.
Zuerst sieht sie verwirrt aus,...
... doch dann kneift sie ihre Augen zusammen.
Du bist das.
Ja, ich. Und?
Wo ist mein Freund?
Hol' ihn sofort ans Telefon!
Gemach, gemach.
Das ist alles ein großes Missverständnis.
Ich habe keine Ahnung, wo er ist.
Ja, sicher!
Sein Telefon ist nur auf magische Weise in deinem Schlafzimmer gelandet.
Genau.
Das ist wirklich wahr!
Er ist nicht hier!
Sie beachtet mich nicht und schaut...
... von ihrem kleinen Bildschirm aus durchs Zimmer.
Ian! Komm' raus, und zwar sofort!
Du kannst dich nicht länger verstecken!
Kayla, es tut mir leid, aber...
... habe ich gestern Abend irgendwas angestellt?
Ihr Blick heftet sich auf mich.
Du bist echt unglaublich.
Also, es ist folgendermaßen:
Plötzlich höre ich, dass ein FaceTime-Anruf eingeht.
Verwirrt schaue ich mich um.
Dann erblicke ich *mein* Telefon.
Es liegt auf dem Ankleidetisch.
Ich muss auflegen. Tut mir leid!
Das wagst du nicht!
Ich strecke meine Hand nach unten und beende ihren Anruf.
Vorsichtig tappe ich durchs Zimmer. Mir ist immer noch übel.
Der Anruf kommt von einer unbekannten Rufnummer.
Also, was zum Teufel...
Ich gehe dran,...
... und vor meinen Augen erscheint Ians Gesicht.
Und auf einmal komme ich mir vor wie der letzte Müll:
Mein Haar ist völlig zerzaust.
Ich trage noch immer die Klamotten von gestern Abend.
Mein Make-up ist zerlaufen.
Und Ian schaut...
... unglaublich aus.
Mit makellos frisiertem Haar.
Und makellos verträumten Augen.
Er lächelt süß und hebt eine Augenbraue.
Na – spät geworden?
Ian! Hallo,…
... was gibt's denn?
Äh, nichts.
Entschuldige, dass ich dich unerwartet anrufe.
Ich hatte gehofft, du würdest drangehen, auch wenn du die Rufnummer nicht erkennst.
Ich habe irgendwo mein Telefon verloren.
Und mir das von meinem Mitbewohner geliehen.
Ja,...
Ein peinliches Schweigen entsteht,...
Ähm – war das gestern Abend?.
Ja, so um den Dreh.
Anscheinend überdenkt er gerade seine Worte.
Ich muss dich einfach mal fragen.
Warum hast du getan,...
... was du getan hast?
Ich bin völlig verlegen.
Ich zermartere mir das Gedächtnis beim Versuch, mich zu erinnern.
Äh – was meinst du damit genau?
Ich habe mich nur gewundert.
Da geht's mir ganz ähnlich.
Moment,...
Er schaut mich belustigt an.
... erinnerst du dich an alles, was passiert ist?
Ähmmm,...
... vielleicht nicht an alles.
Er schaut beiseite; er scheint sich zu sammeln.
Oh, das erklärt vieles.
Entschuldige, aber könntest du mich über...?
... mich selbst ins Bild setzen? Und darüber, was ich getan habe?
Oh, natürlich!
Du bist auf der Party auf mich zugegangen,...
O je...
... hast dir mein Gesicht geschnappt...
... und mir direkt auf den Mund geküsst.
Meine Augen weiten sich.
Bitte nicht,...
Ian, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.
Es tut mir furchtbar leid.
Dann bist du einen Schritt zurückgegangen,...
... hast mir in die Augen geschaut...
... und gesagt: "Ich hasse dich".
Mir fällt die Kinnlade herunter.
Vorher hatte ich mich schon übel gefühlt.
Doch erst jetzt wird mir vollends übel.
Das... das habe ich gesagt??
Ja, hast du.
Also, verstehst du? Widersprüchliche Signale.
Besonders, da sie von einer Freundin kommen.
Einer Freundin im platonischen Sinne,...
... von der ich dachte, dass wir uns gut verstünden.
Er lacht.
Ich, also – Ich weiß nicht, was ich dazu –
Plötzlich beginnt Ians Telefon wieder zu klingeln.
Es ist Kayla, die erneut anruft.
Was war das?
Ist das nicht mein Klingelton?
Ähm, ich habe keine Ahnung, wie oder weshalb,...
... aber aus irgendeinem Grund ist dein Telefon bei mir!
Also, um es kurz zu machen:...
Hier ist Kayla.
Ich nehme ihren Anruf an...
... und stelle die beiden Telefone einander gegenüber.
Ian! Was läuft da?!
Hallooo, Kayla!
Du hast ja mal Nerven,...
... die Nacht mit einem anderen Mädchen zu verbringen!
Das habe ich nicht! Ich bin nicht einmal bei ihr!
Kayla beugt sich vor und schaut genauer hin.
Oh.
Nun, wie dem auch immer sei –
Darum geht es auch gar nicht!
Wir verabreden uns noch nicht mal mehr.
Hauptsächlich, weil du mich hintergangen hast!
Klingelt's jetzt bei dir?
Kaylas Augen weiten sich.
Also, bei allem gebotenen Respekt:
Lass' mich bitte in Ruhe.
Ach, das war doch nur einmal, also...
Plötzlich legt Kayla auf.
Ian fängt wieder an, mit mir zu sprechen.
Puh.
Tut mir echt leid.
Wow.
Das war echt aufregend.
Ja,...
... fast so aufregend wie der gestrige Abend.
Er grinst mir wieder dieses süße Grinsen entgegen.
Entschuldige bitte, dass ich dein Telefon hab' mitgehen lassen.
Und dass ich gesagt habe, ich würde dich hassen, tut mir furchtbar leid.
Weil das überhaupt nicht so ist.
Es lag eher daran, dass ich es hasste, mitanzusehen, wie du dich mit Kayla getroffen hast.
Und —
Bitte sag' jetzt nicht, dass es dir leid tut, mich geküsst zu haben.
Ich werde rot.
Nein, das wollte ich gar nicht sagen,...
... denn es tut mir nicht leid.
Auch wenn ich mich nicht daran erinnere.
Ich wollte dich fragen,...
... also das Wichtigste zuerst:
Könnte ich mein Telefon zurückbekommen?
Haha!
Ja, sicher.
Und dann:
Könnten wir danach mal Abend essen gehen?
Das würde mir gefallen.
Ich lege mir das Haar hinters Ohr und lächle ihn an.
Wunderbar.
Und hoffentlich wird es diesmal...
... ein Abend, an den wir uns beide erinnern werden.
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