Heimliche Weihnachtselfe - Episode 1
by Annie Rains
Verstohlen blicke ich mich um…
Um sicherzugehen, dass niemand schaut.
Dann stecke ich eine Zuckerstange …
In den Schlitz von Grays Spind.
Ich laufe den Korridor runter…
Und pralle gegen eine Ziegelmauer.
Oder genauer gesagt, gegen Grays Brust.
Alle meine Bücher fallen mir vor die Füße.
Das tut mir wirklich leid.
Ich schaue zu Gray auf.
Er überragt mich um 30 cm.
Kein Problem.
Er geht in die Hocke, um mir zu helfen.
Dann merke ich…
Dass mir mehr als bloß Bücher runtergefallen sind.
Es befinden sich auch Zuckerstangen darunter…
Von genau der Sorte, die ich ihm heimlich in den Spind gesteckt habe.
Ich gehe ebenfalls in die Hocke.
Ich lese die Zuckerstangen vom Boden auf…
Und stopfe sie mir in die Tasche.
Du bist in Eile.
Ich muss zur Arbeit.
Blöd.
Ich habe heute frei.
Das weiß ich bereits.
Wie ich auch, arbeitet Gray im Einkaufszentrum.
Er ist jeden Dienstag und Donnerstag dort.
Ich kenne seinen Dienstplan auswendig.
Ich kenne sein Lächeln auswendig.
Außerdem weiß ich…
Dass Gray ein schwieriges Jahr durchmacht.
Deshalb habe ich eine kleine Aufmunterung zu Weihnachten in seinen Spind gesteckt.
Du hast deine Sachen schnell aufgesammelt.
Ich hatte kaum Gelegenheit dir zu helfen.
Trotzdem bleibt er vor mir in der Hocke.
Unsere Gesichter sind sich jetzt direkt gegenüber.
Und ich sehne mich danach, mich zu ihm herüberzubeugen…
Und ihn zu küssen.
Doch wir sind bloß befreundet.
Wir sind zusammen zur Schule gegangen –
Für eine Ewigkeit.
Was ungefähr so lange ist…
Wie ich in ihn verknallt bin.
An einem Freitag Abend arbeiten müssen ist echt scheiße.
Aber sich etwas dazuzuverdienen ist nicht schlecht…
Um Geschenke für die Familie zu kaufen.
Gray senkt seinen Blick.
Er lebt bei seinen Großeltern…
Während seine Eltern beide im Einsatz sind.
Sie werden über die Feiertage nicht Zuhause sein.
Ich… Ich…
Sein Blick findet zurück zu meinem.
Dann steht er auf.
Ich richte mich mit ihm auf.
Etwas liegt in der Luft zwischen uns.
Vielleicht ist auch nur meine Empfindung.
Der Schulgong ertönt.
Ich gehe dann mal besser.
Ich will nicht zu spät zur Arbeit kommen.
Ich winke unbeholfen…
Während ich darauf Acht gebe, meine Sachen nicht wieder zu verlieren…
Und eile zu meinem Auto.
Als ich das Einkaufszentrum erreiche…
Lege ich spitze Ohren, spitze Schuhe…
Und eine grüne, paillettenbesetzte Mütze…
Mit einem Glöckchen oben drauf an.
Mein Job heute Abend ist, Zuckerstangen zu verteilen…
Während Kinder sich für den Weihnachtsmann anstellen.
3 Dutzend Zuckerstangen später…
Denke ich noch immer an Gray…
Als ich jemanden seinen Namen rufen höre.
Es ist ein kleines Mädchen mit Zöpfen.
Sie tanzt auf ihren Zehenspitzen –
Und hält Grays Hand.
Neeein!
Es ist Grays kleine Schwester.
Und er ist mit ihr auf dem Weg zum Weihnachtsmann.
In meinem Kopf wirbeln mögliche Verstecke umher.
Dann landet sein Blick auf mir.
Molly?
Meine Wangen erröten.
Ich muss lächerlich aussehen.
Gray sieht seine kleine Schwester an.
Ich meine, Weihnachtselfe.
Er zwinkert mir zu…
Und mir wird ganz anders.
Dann deutet Grays Schwester…
Auf meinen Korb mit Zuckerstangen.
Gray schaut ihn ebenfalls an.
Weiß er, dass ich es war…
Die ihm Leckereien in den Spind gesteckt hat?
Ich reiche seiner Schwester eine.
Die ist für dich.
Ein kleines Stück Weihnachten…
Um dir den Tag zu versüßen.
Ich kann nicht anders.
Ich sehe Gray an.
Er beobachtet mich.
Seine Augen sind weit geöffnet.
Bekomme ich auch eine?
Oder gibt's nur eine am Tag?
Yep, er weiß Bescheid.
Mein Hand zittert…
Während ich in den Korb greife.
Jeder, der für den Weihnachtsmann herkommt…
Bekommt eine Zuckerstange.
Unsere Finger streifen sich…
Als ich ihm eine reiche.
Ich spüre, wie mich ein elektrischer Stoß durchfährt.
Vielleicht bin ich eher deinetwegen hier.
Mir stockt der Atem.
Hat er das gerade wirklich gesagt?
Grays Schwester neben ihm nörgelt rum und zerrt an seiner Hand.
Dann geht sie in der Schlange vor…
Während Gray zurückbleibt.
Mit mir allein.
Er hält die Zuckerstange hoch.
Ich habe Gefallen an diesen Dingern gefunden.
Oh?
Er nickt.
Jemand hat mir solche in den Spind gesteckt.
Ich weiß nur nicht genau, warum.
Ich beiße mir auf der Unterlippe herum.
Und spiele mit dem Gedanken, so zu tun, als wäre ich's nicht gewesen.
Doch das Geheimnis ist raus.
Zumindest eines.
Yep. Ich bin dein heimlicher Weihnachtsmann.
Oder heimliche Weihnachtselfe, genau genommen.
Mein Herz schlägt im Rhythmus…
Der schwungvollen Musik im Einkaufszentrum.
Ich dachte nur…
Dass du vielleicht eine kleine Aufmunterung zu Weihnachten vertragen könntest.
Grays Augen behalten meine fest im Blick.
Er schaut mich anders an…
Als zuvor in der Schule.
Weißt du, das ist dir gelungen.
Die Zuckerstangen haben mich zum Lächeln gebracht.
Ich schlucke.
Kinder greifen mir in den Korb…
Und greifen sich mehr als eine Leckerei.
Doch das ist mir egal.
Das freut mich.
Ich habe sogar Jingle Bells vor mich hingesummt…
Unter der Dusche.
Ein Hitzeschwall fährt mir durch den Körper.
Vor meinem geistigen Auge entsteht unvermittelt das Bild…
Wie Gray unter der Dusche vor sich hinsummt.
Meine Wangen erröten.
Ich blicke für einen Moment nach unten.
Und das große Glöckchen auf meiner Mütze…
Schwingt nach unten und schlägt mir gegen die Stirn.
Oh!
Meine Wangen glühen.
Das ist ja dermaßen peinlich.
Als ich aufblicke…
Grinst Gray.
Als Elfe lebt es sich gefährlich.
Gray blickt die Schlange entlang.
Dann dreht er sich zu mir.
Ich schließe besser mal zu meiner Schwester auf.
Ich schätze, du musst hier bleiben?
Ich halte meinen Korb hoch.
Ich bin nicht zum Schlafen hier.
Oder Flirten, in diesem Fall.
Grays Schwester ruft seinen Namen.
Er nickt und dreht sich zu mir.
Wir sehen uns später?
Klar.
Vielleicht rede ich mal mit dem Weihnachtsmann…
Wenn ich an der Reihe bin.
Wenn er ein gutes Wort für mich einlegt…
Vielleicht gehst du dann auf ein Date mit mir?
Ich denke gar nicht nach. Ich rede einfach los.
Ja.
Gray hebt eine Augenbraue.
Ich meine, falls du mich fragen solltest…
Würde ich ja sagen.
Okay, ich frage dich.
Morgen Abend?
Nach deiner Schicht als Elfe?
Liebend gern.
Hervorragend.
Da du meine heimliche Weihnachtselfe bist…
Wirst du die Mütze tragen?
Ich muss ein bisschen lachen.
Keine Chance.
Was ist mit den Ohren?
Die sehen irgendwie süß aus an dir.
Er zwinkert erneut.
Ich schüttle den Kopf.
Vergiss es.
Tut mir leid, aber wenn wir auf ein Date gehen…
Bekommst du nichts weiter als mich.
Er sieht mich für einen langen Moment an.
Mit Grübchen vom Lächeln.
Und Funkeln in den Augen.
Du bist ohnehin alles, was ich wirklich will.
Und vielleicht noch eine Zuckerstange.
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